Es geht uns gut! – Geht es uns gut?

„Es geht uns gut!“, so kann man die derzeitige Haushaltssituation selbst unter Berücksichtigung aller schwäbischer Bescheidenheit bezeichnen. Die Erträge sind im Haushaltsjahr 2022 um 32 Mio € besser ausgefallen als geplant und im Jahr 2023 sogar um 44 Mio €! Im Jahr 2023 haben wir mit 50 Mio € Gewerbesteuer geplant – bekommen haben wir knapp 84 Mio €!

Andernorts würden die Gemeinderäte in so einer Situation auf den Tischen tanzen. Als sie, Herr Maier, bei der Einbringung des Haushalts im November darauf angesprochen wurden, entgegneten Sie, daß sie sich klar über die gute Haushaltssituation freuen, aber auf der anderen Seite ist diese Situation auch eine Bürde und eine große Verantwortung, das Vermögen gut zu verwalten, auf dass dieser Zustand möglichst lange anhält. Lassen sie mich vor diesem Hintergrund einen Blick auf unseren Haushaltsplan werfen.

 

Die politische „Großwetterlage“ ist alles andere als rosig: Der andauernde Ukraine-Krieg, der aufflammende Nahost-Konflikt, die schwächelnde Konjunktur in Deutschland, die Energiekrise, die hohe Inflation des vergangenen Jahres, der Fachkräftemangel, die Flüchtlingsströme, der Klimawandel – jedem von uns fallen unzählige weitere Themen ein, mit denen diese Aufzählung fast ins Unendliche fortgesetzt werden könnte – die Aussage „Es geht uns gut“ geht vor diesem Hintergrund den meisten von uns nicht mehr so leicht über die Lippen. Viele Kommunen in Deutschland sind schon auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen und haben die Ertragserwartungen für die kommenden Jahre deutlich nach unten korrigiert; viele können keinen ausgeglichenen Haushaltsplan mehr aufstellen und sind nur durch die Rücklagen aus den vergangenen Jahren in der Lage, die Genehmigung für den Haushaltsplan zu bekommen; wohl dem, der Rücklagen gebildet hat! Im Gegensatz dazu befinden wir uns in Ditzingen auf einer Insel der Glückseligen. Wir können mit großer Sicherheit mit Erträgen von knapp 120 Mio € für das kommende Jahr planen, dies sind nochmals knapp 17 Mio € mehr als 2023. Das starke Gewerbesteueraufkommen mit kalkulierten 65 Mio € trägt entscheidend dazu bei. Die Gewerbesteuer macht über 50 % unserer Erträge aus, die Grundsteuer A+B zusammen gerade 4 %;  die Entgelte für öffentliche Leistungen und Einrichtungen nur 3%. Ein weiterer wichtiger Posten auf der Ertragsseite ist der Einkommensteueranteil: mit kalkulierten 21,5 Mio € trägt er mit 18 % zum „städt. Einkommen“ bei.

Betrachten wir unsere Aufwendungen, so dominieren die Transferaufwendungen an den Landkreis und finanzschwächere Kommunen mit knapp 52 Mio € (45 %) unsere Gesamtausgaben; gefolgt vom Personalaufwand, der im kommenden Jahr auf 32,5 Mio € (28 %) ansteigt; der Aufwand für Sach- und Dienstleistungen wird mit knapp 20 Mio € erwartet.

Unter dem Strich weist unser Haushaltsplan für 2024 ein positives Ergebnis in Höhe von 3,2 Mio € aus. So sehr wir uns über die gute Ertragslage unserer Stadt freuen mögen, so wird auf der anderen Seite deutlich, dass sich die Kosten und Ausgaben in gleicher Weise weiterentwickelt haben. „Es geht uns gut“, aber das positive Ergebnis von 3,2 Mio € gibt keinen Anlass zu überschwänglicher Euphorie! Wir sind in der glücklichen Lage, Investitionen weiterhin angehen zu können, wir sollten dies aber mit viel Bedacht tun und gleichzeitig immer den Blick auf unsere gewachsenen Strukturen haben, um Einsparpotentiale zu erkennen. Im Laufe des letzten Jahres haben wir unsere gute Liquiditätslage dazu genutzt, Fremdkredite in unseren Eigenbetrieben abzulösen; dies begrüßen wir außerordentlich!

 

Bis zum Jahr 2027 haben wir Investitionen von gut 150 Mio € im Planwerk stehen! Den größten Teil nimmt der TH03 „Kinder, Jugend, Schule“ mit knapp 90 Mio € ein. Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Es ist uns deshalb ein großes Anliegen, dass wir als Schulträger eine gute Infrastruktur an unseren Schulen bereitstellen. Nachdem der Neu- und Umbau an der THS in Hirschlanden abgeschlossen ist, steht mit dem Neubau der zentralen Grundschule in Ditzingen auf dem Gelände der KKS ein weiteres Mammutprojekt vor uns: mit zwischenzeitlich deutlich über 40 Mio € ist der Neubau und die Sanierung des Bestandsgebäudes kalkuliert. Bei der Vergabe der Rohbauarbeiten mußten wir die erste Kostenfortschreibung vornehmen: die zukunftsweisende Holzbauweise war 3 Mio € teurer als geplant – so darf es bei den nächsten Gewerken nicht weitergehen, ggfs. muß der „Ditzinger Standard“ überdacht werden! Am Schulzentrum Glemsaue wird es einen Anbau zusätzlicher Unterrichtsräume  für knapp 3 Mio € geben. Dem nördlichen Schulhof geht dabei Fläche verloren, deshalb muß der verbleibende Schulhof in die Planungen mit einbezogen werden, damit den Schülerinnen/Schülern des Schulzentrums auch zukünftig noch ausreichend attraktive Pausenfläche zur Verfügung steht. Schulsozialarbeit ist ein wichtiger Teil der Schulinfrastruktur geworden. Mit gut 550 T € schlägt dies jedes Jahr zu Buche. Ebenso hinterläßt die Digitalisierung tiefe Spuren in den Schulhaushalten. An allen weiterführenden Schulen bekommen unsere Schüler/-innen in Klassenstufe 5 bzw. 7 ein eigenes iPad; 120 T € sind hierfür jährlich eingeplant, hinzu kommen Gebühren für Lizenzen und die Personalkosten aus der IT-Abteilung.

Neben den Schulen bildet das Thema Kinderbetreuung den zweiten Schwerpunkt in diesem Teilhaushalt. Insgesamt 5 Kitas wollen wir bis zum Ende des Jahrzehnts neu gebaut haben, um dem vorhandenen und dem wachsenden Bedarf durch die geplanten Neubaugebiete gerecht zu werden; dabei kostet jede Kita ca. 10 Mio €! Dazu kommen die routinemäßigen Renovierungsarbeiten und Unterhaltungsmaßnahmen an den bestehenden Einrichtungen. Die Einrichtung eines Waldkindergartens in Heimerdingen erhöht die Vielfalt in unserem Betreuungsangebot. Um ausreichend Betreuungsplätze anbieten zu können, reicht es nicht aus, Kindertageseinrichtungen zu bauen; wir brauchen v.a. auch genügend Personal, um eine verläßliche Kinderbetreuung anbieten zu können. Aus diesem Grund unterstützen wir ausdrücklich die Schaffung zusätzlicher Stellen sowohl in der Kindergartenverwaltung als auch in den Kitas; hier sollen 12 Zusatzkräfte unsere pädagogischen Fachkräfte zukünftig unterstützen.

 

Generell bekommen wir in fast allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung den Fachkräftemangel zu spüren. Trotz intensiver Bemühungen unserer Personalabteilung bleiben Stellen immer wieder über einen längeren Zeitraum vakant. Dies hat automatisch zur Folge, dass Projekte deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als zunächst geplant. Dies trifft uns insbesondere auch bei unseren Bauprojekten; hier müssen wir erkennen, dass beim derzeitigen Personalbestand in der Bauverwaltung in Kombination mit immer umfangreicheren Vorschriften und Vorgaben, dem jährlich umsetzbaren Volumen an Bauvorhaben Grenzen gesetzt sind. Wir haben mehr im Plan, als es uns gelingt abzuarbeiten!

In Summe planen wir für 2024 mit knapp 40 zusätzlichen Stellen verteilt auf die verschiedenen Bereiche unserer Verwaltung. Darin enthalten sind beispielsweise zusätzliche Ausbildungsplätze, eine 50 % Stelle im Amt „Senioren und Teilhabe“ für die Demenzberatung, oder eine Vollzeitstelle zur Projektsteuerung der Digitalisierung unserer Verwaltung. Von der Digitalisierung erwarten wir mittel- und langfristig vereinfachte Verwaltungsabläufe und damit auch einen geringeren Bedarf an Fachkräften. Der Ehrlichkeit halber muß man aber anmerken, dass dies nur gelingen kann, wenn die „Große Politik“ nicht ständig nur von Entbürokratisierung redet – hier müssen jetzt endlich auch einmal Taten folgen! Die Stellenmehrung und der aktuelle Tarifabschluss führen zu einer Steigerung der Personalausgaben um gut 3 Mio €.

 

Im Bereich der Stadtentwicklung befindet sich die Neugestaltung unseres Bahnhofareals auf der Zielgeraden. Insgesamt 4 Neubaugebiete haben wir für die kommenden Jahre auf dem Plan. Das Gebiet Ob dem Korntaler Weg steht jetzt unmittelbar vor der Realisierung – endlich. In diesem Kontext muß auch die Streckenführung und Konzeption des Stadtbus neu überdacht werden. Hier brauchen wir insbesondere im Berufsverkehr schnellere Verbindungen von den Wohngebieten zum Bahnhof. Ob, und wie weit die U 13  zukünftig nach Ditzingen fahren wird, beschäftigt die Gremien Anfang des Jahres 2024. In der Finanzplanung sind jetzt knapp 9 Mio € für die Streckenführung bis Thales eingestellt. Die FW-Fraktion hat sich ganz bewußt im Vorfeld für keine der Varianten ausgesprochen. Zuerst müssen alle Varianten die gleiche Planungstiefe haben und die dazugehörigen Kosten auf dem Tisch liegen, dann können wir entscheiden. Wenn ein Anschluß an die U 13 einen großen Mehrwert für die Ditzinger Bevölkerung bringen soll, ist für uns ganz entscheidend, wie eine Stadtbahnhaltestelle an die Buslinien aus den Stadtteilen und der Kernstadt angebunden werden kann, ob es uns gelingt attraktive P+R-Parkplätze anzubieten und auch ob es uns gelingt das Fuß- und Radwegenetz bis zur Haltestelle zu ertüchtigen! Die Investitionskosten für den Bau der Stadtbahn sind das eine, der später jährlich anfallende Betriebskostenzuschuss den die Stadt bezahlen muß, das andere. Vor dem Hintergrund gilt es sorgfältig zu überlegen, ob und wenn ja, welche Streckenführung Sinn macht. Der Supergau wäre, wenn wir die Straßenbahn bauen und keiner nutzt sie!

Für den Bau der Südumfahrung Heimerdingen sind die Gelder des städt. Anteils in der FIP eingestellt; wir sind bereit! – Den Startschuss zum Bau, gibt aber das Land! Die Entlastung der Marktstraße vom Durchgangsverkehr kann weiter vorangetrieben werden. Der FW-Fraktion ist wichtig, dass hier keine Verkehrsberuhigung zu Lasten der Gewerbetreibenden erfolgt. Für den weiteren Ausbau unseres Radwegenetztes sind 330 T € für den Lückenschluss zwischen Hirschlanden und Ditzingen West eingeplant.

 

„Unternehmen müssen Gewinne erwirtschaften, um zu existieren – Unternehmen existieren aber nicht, um Gewinne zu erwirtschaften“. Wenn wir dieses Sprichwort auf das Unternehmen „Stadt“ übertragen, wird schnell deutlich, die Frage, ob es uns gut geht, lässt sich nicht an der Höhe des positiven Ergebnis des Städt.-Haushalts ablesen – da gehört mehr dazu. Es ist schön, dass wir verschiedene Initiativen, Vereine und Institutionen unterstützen können und auch Veranstaltungen planen können, die zum Gemeinwesen in unserer Stadt einen wichtigen Beitrag leisten: Lassen sie mich ein paar Beispiele hierzu exemplarisch nennen: Die Arbeit der Jugendmusikschule unterstützen wir mit 675 T €;  für knapp 2 Mio € erneuern wir in den kommenden Jahren die Rasen- und Kunstrasenplätze in unseren Sportanlagen Seehansen, Heimerdingen und Lehmgrube; die Renovierung des Tafelladens in Ditzingen unterstützen wir mit 100 T €; Veranstaltungen, wie die Schöckinger Sommernächte, der Charity Bike Cup in Heimerdingen, Veranstaltungen auf dem Rathausplatz in Hirschlanden oder der Ditzinger Adventszauber … können wir im kommenden Jahr mit mehreren 10 T € unterstützen. Es ist schön, dass wir für all diese Projekte Geld zur Verfügung haben – es geht uns gut!

 

 

Ich habe jetzt einige wichtige Themenbereiche angesprochen, aber dies ist nur ein kleiner Auszug von dem, was in unserer Stadt passiert. Es wird sichtbar, dass wir mittlerweile an einem großen Rad drehen. Das kann nicht einer alleine und das können auch nicht ein paar wenige. Wenn dies erfolgreich geschehen soll, bedarf es einer guten Mannschaft aus den unterschiedlichsten Gruppen unserer Stadt. Ich möchte deshalb die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen, um Danke zu sagen: Im Namen der FW-Fraktion darf ich mich zunächst bei der Verwaltung bedanken. Sie, Herr Maier, haben in gewohnt guter Weise mit ihrem Team den Haushaltsplan mit der Finanz- und Investitionsplanung für die kommenden Jahre erstellt – herzlichen Dank dafür. Unser Dank gilt aber gleichermaßen allen Mitarbeitern der Verwaltung und den anderen Fraktionen des Gemeinderats für die vertrauensvolle gute Zusammenarbeit hier im Hauptorgan unserer Stadt. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber immer getragen vom Bestreben, einen guten Kompromiss, eine gute Lösung für unsere Stadt zu finden und dies bringt uns auch sichtbar weiter. Wir treffen hier grundsätzliche Entscheidungen, bauen ein Gerüst, ein Skelett; füllen müssen dies andere und deshalb möchten wir unseren Dank auch ganz bewußt an die Bürgerinnen und Bürger und die vielen Ehrenamtlichen in unserer Stadt richten. Sie alle bringen sich an den unterschiedlichsten Stellen in unserem Gemeinwesen ein und tragen in großem Maße dazu bei, dass Ditzingen „mehr als eine Stadt“ ist und wir bei aller Bescheidenheit sagen können: „Es geht uns gut!“.

 

Aus dieser Situation heraus erwächst aber auch die Aufgabe uns ständig aufs Neue mit aller Kraft für das einzubringen, was uns wichtig ist. In der jüngeren Vergangenheit sind seit langem wichtige Grundpfeiler unserer Werteordnung ins Wanken geraten. „Der Staat wird es schon richten!“ Den „Vollkasko-Staat“ den sich viele in unserer Gesellschaft wünschen, den gibt es aber genauso wenig, wie es Wohlstand ohne Anstrengung gibt! Unser Staat und unsere Gesellschaft sind das, was wir, und ich meine damit jede Einzelne und jeden Einzelnen, aus ihnen machen. Lassen sie uns diese Herausforderungen annehmen und ernst nehmen!

 

Als Fraktion der Freien Wähler im Ditzinger Gemeinderat werden wir uns weiterhin mit aller Kraft dafür einbringen, dass wir auch in Zukunft sagen können: „Es geht uns gut“.

 

Im Namen der FW-Fraktion

Frank Hagenlocher

-Fraktionsvorsitzender-